aus meinem Kurs – Live Patient mit Zornanfällen und Alpträumen

Erstanamnese am 21.3.17

Junge, 5 Jahre alt. Mutter kommt wegen unverhältnismäßiger Wutanfälle, zB. wenn er das falsche Trinkglas bekommt. Die Mutter hat ein Video aufgenommen, dass schon eine außergewöhnlich lange Schreiattacke zeigte.
Kind ist perfektionistisch (legt mit Begeisterung Wäsche zusammen!), weint leicht, auch wenn der Bruder Augentropfen bekommt, bei Geschichten auch.
Beißt sich selber in die Hand.
Denkt öfter, er werde ausgelacht.
Viele schlechte Träume von „Lausbuben“, wacht davon auf. Angst vor Einbrechern.
Extreme Reaktionen auf Mückenstiche.
Trinkt wenig.

Insgesamt nicht so eindeutig.

IgnLW

Der Homöopath hätte gern noch ein bisschen mehr „Fleisch“, bestätigende Symptome, die das Ganze eindeutiger machen. Aber auf Grund der unverhältnismäßigen Reaktionen des Kindes entscheide ich mich:

Verschreibung : Ignatia LM 12 (Die LM 12 war grad da) 1 Schluck von einer Wasserauflösung täglich.

28.3. : träumt nicht mehr schlecht, aber auch tags Angst vor Lausbuben, kann nicht mehr alleine sein.
Wutanfälle immer noch, aber kommt schneller runter.
Verschreibung: Weiter machen.

11.5. Jetzt ist er „schlimmer als früher, er kann nicht mehr allein sein. Immer Angst, jemand könnte hinter der Tür stehen. Zornanfälle besser, beruhigt sich schnell.“

Was bedeutet das? Ignatia hat das Beschwerdebild verändert: Schläft besser, keine Alpträume mehr, Wutanfälle besser, aber deutlich mehr Angst. Ist das zufriedenstellend? Nein, nur ein Teilerfolg, Ignatia passte nur zu einem Teil der Beschwerden, ist nur ein Teil-Simile.
Aber jetzt haben wir klarere Symptome, auf die jetzt das „zweitbeste“ Arzneimittel aus der 1. Repertorisation, Arsenicum album, besser passt, wie man auch hier sehen kann:
ars LW

Das ist in der Praxis ein häufiger Vorgang, wie ihn auch Hahnemann in §180-182 beschrieben hat: Man gibt bei einem nicht so klaren Fall ein Mittel und das Mittel bringt ein deutlicheres Bild heraus, auf das man das letztlich richtige Mittel finden kann. Wichtig: Die dabei auftretenden Symptome sind die Symptome des Patienten, auch wenn sie im Arzneimittelbild stehen.

Verschreibung: Arsenicum album LM3 , 1 Schluck von einer Wasserauflösung täglich.

Rückmeldung nach 14 Tagen am 30.5. (ich weiß, noch sehr früh!)- Mutter: „Volltreffer, Thema Angst hat sich erledigt. Geht ohne Angst in ein Zimmer, geht auch vermehrt allein spielen und möchte seine Ruhe haben.. Wut noch mal verbessert, er kommt gar nicht mehr in so einen krasse Situation rein. Das einzige was mir auch auffällt: Er wird etwas weinerlich und viel hat mehr geschmust. Selbstvertrauen wächst, dadurch kommt er auch auf dumme Ideen, hat sich mit scharfen Messer geschnitten, obwohl er da sonst noch nie etwas mit gemacht hat weil es ihm verboten war. Zur Zeit unkonzentrierte, trödelt rum, muss Sachen 5x sagen, aber das ist wohl normal in dem Alter. “

Klar, der Fall ist noch nicht „geheilt“.

Was ich aber zeigen wollte:

  1. Die Symptome verändern sich nach der Gabe des Mittels nach den Gesetzmäßigkeiten, die Hahnemann beobachtet und beschrieben hat.
    Die Kritiker der Homöopathie sollen doch bitte mal erklären, warum denn, wenn die Homöopathie ausschließlich auf Placebo-Effekten beruht, es dem Patienten nicht gleich besser geht, sondern erst deutlich schlechter und nach dem richtigen Mittel fast schlagartig gut.
  2. Es lohnt sich Geduld zu haben in der Homöopathie. Manchmal ist es nicht das erste, sondern das fünfte Mittel, dass hilft, oder jedes Mittel macht sein Teil und dem Patienten geht es Stückchen für Stückchen besser.
  3. Es verblüfft selbst mich nach 34 Jahren Praxis immer wieder, wie gut Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern auf Homöopathie reagieren. Natürlich nur, wenn nicht die Umstände das verhindern, aber selbst bei schwierigen Familiensituationen kann man oft viel erreichen.